„Ihr seid nicht allein“
Die deutsche Beratung Scicomm-Support unterstützt Forschende, die von Anfeindungen und Hassrede betroffen sind.

E-Mail-Postfächer voller Drohungen, nächtliche Anrufe, Hass-Postings und sonstige Anfeindungen – leider sind sie inzwischen Alltag für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rund um den Globus. Am weitesten verbreitet sind herablassende Äußerungen und Kritik, die gezielt die Kompetenz anzweifeln. Manche Betroffene berichten sogar von Todesdrohungen.
Hotline für Betroffene
Seit Mitte 2023 steht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland in solchen Fällen die Initiative Scicomm-Support zur Seite. Kernstück ist eine bundesweite Hotline, an die sich Betroffene von 7 bis 22 Uhr wenden können. „Zunächst einmal ist oft wichtig zu vermitteln: Ihr seid nicht allein“, erklärt Julia Wandt, Mit-Initiatorin von Scicomm-Support. Die Menschen, die ans Telefon gehen, arbeiten in den Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit deutscher Hochschulen und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen. Sie hören zu, geben Verhaltenstipps und besprechen, oft in Zusammenarbeit mit der zuständigen Pressestelle, die Kommunikationsstrategie. Wenn nötig, ziehen sie weitere Unterstützung hinzu, etwa Fachanwälte oder psychologische Beratungsstellen.

Klima, Gender, Naher Osten
Die Nachfrage zeigt, wie groß der Bedarf ist: 89 Beratungsfälle wurden seit Juli 2023 bearbeitet, ein Drittel intensiv – und bis zu ein Jahr lang. Die meisten Anfragen kommen aus den Sozial- und Verhaltenswissenschaften, oft zu Themen wie Klima, Gender und Naher Osten. Doch treffen kann es jede und jeden; es melden sich zum Beispiel auch Forschende aus der Mathematik. Frauen geraten laut Statistik häufiger ins Visier als Männer – und sie berichten von Diskriminierungsformen bis hin zu Belästigung und Stalking.

Internationaler Vorreiter
Neben einer Hotline bietet der Scicomm-Support Trainings und Fortbildungen an, nimmt an Podiumsdiskussionen teil und engagiert sich in der politischen Debatte. Rund 3.000-mal abgerufen wurde bisher ein Online-Leitfaden zum „Umgang mit Angriffen und unsachlichen Konflikten in der Wissenschaftskommunikation“. Mit ihrem breit gefächerten Angebot nimmt die Initiative eine Vorreiterrolle ein. „Soweit wir wissen, gibt es ähnliche Unterstützungsangebote nur in den Niederlanden sowie in Ansätzen in den USA“, sagt Julia Wandt. „Unser Plan ist, uns in Zukunft noch stärker international zu vernetzen.“